Mirela Halitzki
Bildkunst. Wortkunst.

Poetry. WortKunst
Ich arbeite mit Wörtern. Unermüdlich hämmere ich auf die Tastatur, Feder und Tinte kenne ich nur noch aus anderen Zeiten. Die Nostalgie, an diese Zeiten zu denken, ist noch in mir lebendig, obwohl der heutige Geist - auf einer künstlich generierten, virtuellen Welle reitend - im Wettkampf  gegen die verlorenen, vergangenen Wichtigkeiten hinterherhinkt. Inne zu halten, behalte ich mir aus eigenem Entschluss vor. Aus meiner Sicht fließen Worte am geschmeidigsten, wenn sie den Tintenduft wieder oder noch immer kennen. Die Zeit vergeht, man geht mit der Zeit, auch wenn es keine Großereignisse oder neuartige, innovative Einfälle gibt. Ich höre nur noch Geschichten, die sich häufen, um spezielle Worte festzulegen, damit nonverbale Suggestionen ausgeklammert werden. Ich nehme diese Aufgabe an, wie jeder andere Mensch seine eigenen auch annimmt - Versuche, meine Rolle auf der Bühne des Lebens auszufüllen. Ich lebe, um mit meinen begrenzten Mitteln Poesie zuschreiben. Ich brauche nicht viel, ich suche nichts, ich forme und gebe weiter, was mir auf dem Förderband der Alltäglichkeiten in Rohform zufließt. Man könnte sagen, ich bin Gedanken-Lieferant, eine Art Logistiker. Lyrik ist die Definition von  Ausdrucks-Freiheit; sie ist eine Paradedisziplin der Kunst, befreit von den Regeln der puristischen Meinung. In meiner Lyrik bin ich dort wiederzu finden, wohin ich mich flüchte, wenn die Welt mir zu viel wird und ich es satt bin, auf dem Laufsteg der Eitelkeiten zu flanieren. Die Worte lassen meine Sicht der Dinge - auch, wenn nur schleierhaft und  metaphorisch - deutlich erkennbar werden. Sprache ist auch ein Weg zu mir selbst, eine Art Reflextion. Das Leben ist für mich ein Spagat zwischen Unter- und Überforderung, der sich in seiner Unberechenbarkeit zwar nicht kalkulieren, aber leben lässt. Worte sind mir nicht fremd - die Welt aber schon, besonders in ihrem obsessiven Pragmatismus. Es wäre für die Kunst vielleicht von Vorteil, den Intellekt abzuschalten. Der An-Aus-Schalter befindet sich aber nicht in greifbarer Nähe; näher sind die Worte, weil sie schon länger in uns leben. Wenn ich der Welt den Rücken kehre, verstummt meine Stimme nicht, denn das bereits Gesagte und Gemalte berührt wie ein Schleier die Erde und hinterlässt Spuren. Das ist eine Form von stummer Poesie. Manchmal sind Worte nur bunte Farbkleckse in einer farblosen Welt.


In einer schwebend-leichten Phase sprudeln die Worte nur so aus mir heraus, geschmückt mit süßen, zartrosa Schleifen. Wie aromatischer Honig schmecke ich sie auf meiner Zunge - nach Akazien Blüten oder Orangen. Sie atmen und leben. Manchmal prickeln Wörter wie feiner Champagner, leidenschaftlich und wild, schwer oder rau; sie zwingen mich zu neuen Erkenntnissen. Meine verdrängten Seiten kommen aus dem Niemandsland zurück, aus einem Land der in Vergessenheit geratenen Dinge. Ab und zu strömen die Zeiten wie Trennwände mitten in die Alltäglichkeiten; die Zeiten, in denen mir die Welt fremd geworden ist; die Welt jedenfalls, die in der sprachlichen Fähigkeit, auf der intuitiven Ebene zu agieren, ihren Rückzug ankündigt. Es gibt Kulturen, die Bewusstes und Unbewusstes nicht trennen, weil sie im Grunde nicht zu trennen sind, weil sonst der Mensch in seiner Vollständigkeit halbiert wird. Wir, die Zivilisierten, tun uns schwer, von innen nach außen zu leben - wir nehmen den umgekehrten Weg. Prinzipiell sind wir einfach gestrickt und durchschaubar in dem, was wir denken; das können Scharen von Soziologen und Psychologen bezeugen. Wir nehmen uns einfach zu wichtig. Wir vernachlässigen aber unser Seelenleben, das für uns den  Wert eines alten zerrissenen Hemdes hat, von dem wir uns von Natur aus nicht trennen können. Die Seele zu öffnen macht uns verletzlich und angreifbar, gleichzeitig zeigt sie uns eine kaum erklärbare Schönheit der tiefen Welt von Gedanken, Bedürfnissen und Wünschen. Nonverbale Sprache verstehen meistens nur die Hochsensiblen. Die Anderen leben einfach nur ihr Leben. Schattierung und Wandlung eines Wortes sind für sie kein Thema, jedenfalls kein wichtiges. Die Wortjongleure benutzen Wörter als Arbeitsmaterial. Mit Wörtern zu jonglieren, mit ihrem nachfolgenden Klang Kunststücke zu produzieren, ist eine Kunst der Poesie. Manchmal erlebe ich eine Tinten blaue Phase. Dann schreibe ich akkurat, klar wie in einem Kalligrafie-Kurs. Fließende Rundungen machen jeden Buchstaben zu einer perfekten Komposition. Die Worte zeigen Showtänze auf einer Estrade, mit einer gewissen Bewegungsharmonie. Die Sprache ist wie ein Fenster. Manchmal perlen die Wörter von den Scheiben und sorgen für Klarheit. Oft tropfen sie wie Tränen, zerbrechlich und tief. Manchmal rieselt die Sprache wie durch ein offenes Fenster. Das ist der ideale Zustand.

 Sprache der Farben. BildKunst

Manchmal bleiben die Worte zurück - hinter dem, was sie sagen wollen; sie verstecken ihre Ausdrucksinkompetenz im Schatten. Generell tragen Schatten keine Namen, sie sind nur Begleiterscheinungen und unterscheiden sich nur durch ihre diffuse Unförmlichkeit. Die Farben führen im Gegensatz dazu ein eigenes Leben, sie wecken durch ihre Wirkung Gefühle und Stimmungen. Sie retten mich, wenn ich mich in meine Welt zurückziehe, ermöglichen mir, eine Kommunikationsbrücke zu bauen und vermitteln mir so das Gefühl, mit mir selbst im Gespräch zu sein. Viel Weltliches ist mir unwichtig, weil es keinen großen Unterschied macht, wie die Bewertung auffällt. Nichtsdestotrotz nehme ich weiter am Leben teil.

Begegnungen können überfordern, auch, weil so viele unterschiedliche Auffassungen und Weltanschauungen existieren, was all' die existenziellen Fragen betrifft - für Antworten bleibt kaum noch Zeit. Zu banal ist die Vorgehensweise, zu abgedroschen die Ironie der menschlichen Masche - die Egos verfangen sich immer wieder in Wiederholungen.

Starke Kunst ist niemals stumm, auch wenn sie manchmal nur auf Farben begrenzt wird und die Worte, nicht aber die das Formale aussperrt. Schwache Kunst lebt von der fehlerhaften Erwartung, wie auch von der möglichen unausgereiften Ausdrucksform. Es gilt, die Formschwäche zu überwinden; dafür aber ist dann das Talent, falls vorhanden, nicht ausreichend. Talent ist ein Wort, das so fremd ist, wie für einen Gourmet Astronautennahrung, die er zum ersten Mal probiert.

Können hat einen lästigen Charakter, wenn es nicht ausgelebt wird. Talent kann wie ein unerwünschter Gast sein, schüchtern und schlecht angezogen, ausgeschlossen von der Mainstreem-Mentalität. Mit dem eigenen Talent zu Recht zu kommen, ist eine notwendige Lösung, den üblichen Wahnsinn zu überwinden. Es wäre langweilig, wenn Kunst nur als "schön" betitelt würde - auch, weil Schönheit verführt und uns damit etwas anderes wegnimmt.

Reden wird oft überbewertet. Dadurch wird kontemplative Haltung vorschnell verabschiedet. In solchen Phasen gewinnt das Visuelle in meinem Kreativraum immer mehr an Bedeutung, drängt die Sprache in die eingeschränkten Schranken der Sprachlosigkeit zurück. Die Ruhe überflutet die Übermacht des Gedankenwahnsinns. Ich mache mir beim Malen und Zeichnen selten Gedanken darüber, wie es werden soll, überlasse es vielmehr dem Unbewussten, mich zu führen. Dadurch entsteht eine primäre Leichtigkeit, die eigentlich im Widerspruch steht zu ihrer Definition, weil meine Arbeiten oft durch ihre tiefe Thematik bedrückend wirken. Da gibt es keine depressive Stimmung - weil ich glücklich bin, Kunst machen zu können, gleichzeitig aber auch meine Zerrissenheit veröffentlichen kann. Glück ist ein seltenes Gefühl. 'Andauerndes Glück' klingt fast wie eine geborgte Gabe, die eigentlich blind macht - blind für die Zwischentöne.

Wenn ich stumm bin, leihen mir die Farben ihre Sprache. So entstehen Bilder, die ich aus einer Perspektive sehe als würde ich mir selbst zusehen wie ich die Rahmen ihren Geschichten entlang laufe, bis ich hinter einer geschwungenen Linie verschwinde.